Hildegard Schaab

Ein kurze Selbstauskunft

26.11.1980

»Ich stamme aus Graz in Österreich. Meine Mutter lebte dort mit ihren Adoptiveltern von einer kleinen Landwirtschaft. Als sie dreißig Jahre alt war, kam ich 1934 als uneheliches Kind zur Welt. Von den Großeltern liebevoll aufgenommen, wie meine Mutter sagte.

Mutter heiratete mit achtunddreißig Jahren einen fünfzehn Jahre älteren Mann. Ihre Eltern waren in der Zwischenzeit gestorben. Die Ehe mit meinem Stiefvater scheiterte jedoch nach sieben Jahren. Meine Mutter ist eine aufgeschlossene und interessierte Frau, aber auch eine dominierende Persönlichkeit. Vater hatte keine geistigen Interessen. Mich selbst traf die Trennung nicht. Es hatte sich keine Beziehung entwickelt. Trotzdem habe ich meine Kindheit als ausgesprochen glücklich in Erinnerung. 

Schon als kleines Mädchen musste ich, wie alle Bauernkinder, in der Landwirtschaft helfen. Die Höfe in der Südsteiermark, ob klein oder groß, waren damals fast autonom. Die Erde ist fruchtbar, das Klima relativ warm, sodass man vieles anpflanzen konnte. Dadurch musste man zwar sehr viel arbeiten, es war aber auch vielseitig und interessant. 

Meine Mutter ist eine große Blumen- und Tierfreundin. Durch sie lernte ich Blumen und Pflanzen kennen, sie sprach mit mir über Pilze und Kräuter und nähte mit sehr viel Geschick meine Kleider selbst.

Wir lebten nach dem Kirchenjahr. Dadurch ergaben sich viele gemeinsame Tätigkeiten wie Krippe bauen, Kränze binden, Papierblumen machen und vieles mehr. Da ich keine Geschwister habe, war das Verhältnis zur Mutter sehr intensiv. Aber nicht nur zu Mutter, auch zur Natur hatte und habe ich auch heute noch eine starke Beziehung.

Eine allein lebende Freundin meiner Mutter – der Sohn war in Russland vermisst – hat mich meiner Ansicht nach damals stark geprägt. In den Ferien war ich oft bei ihr in der Stadt zu Gast. Sie liebte Musik, Theater, las viel und machte zauberhafte Handarbeiten. So wurde aus mir ein Mischling. Halb Bauer, halb Städter.

In Maria Trost, einem Vorort von Graz, ging ich zur Schule. Ich lernte leicht, aber nicht sehr intensiv. Mein Wunsch, auf die Schule zu gehen und Lehrerin zu werden, wurde von meiner Mutter nicht erfüllt. Sie war auf meine Hilfe zuhause angewiesen. Wir lebten ja von der Landwirtschaft.

Als ich sechzehn Jahre alt war, begannen die Schwierigkeiten mit der Mutter. Ich wollte von zuhause weg, um etwas zu lernen. Das bedeutete für die Mutter, dass sie die Landwirtschaft alleine bearbeiten musste. Ich entschloss mich für das Hotelfach, lernte in einem steirischen Hotel kochen, später im Hotel Bristol in Bern servieren. So war es mir möglich, in der Zwischensaison auch meiner Mutter zu helfen. Bei Bedarf blieb ich zuhause. Ich arbeitete in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich, unter anderem auch drei Sommer lang auf einer dreitausend Meter hoch gelegenen Hütte in den Tiroler Bergen. Das Wetter dort, die Alpenflora, Steine, das Klettern, begeisterten mich sehr. In dieser Zeit entdeckte ich auch meine Freude an Bildern.

Als ich mit sechsundzwanzig Jahren meinen Mann kennenlernte, gab ich mein Ziel, ein eigenes Restaurant zu betreiben, auf. Wir brauchten uns gegenseitig. Nach sieben Jahren Ehe erwartete ich etwas überraschend ein Baby. Die Freude war groß. Mein Mann machte sich zur gleichen Zeit als Steuerberater selbstständig und ich arbeitete einige Jahre mit.

Sebastian, unser Junge … so überraschend wie er zu uns gekommen war, haben wir ihn wieder verloren. Unser Haus ist leer.«

Dieser Alptraum jeder Mutter, jedes Vaters – der Tod des eigenen Kindes – war der Beginn von Hildegard Schaabs aktiver Hinwendung zur bildenden Kunst. Es war wirklich ein Anfang, wie ihn ein Anfänger nur haben konnte, der beim Erlernen eines ersten selbstbewussten Strichs auf dem Papier begann. 

Dem folgten Jahre intensiver Studien, unter anderem bei Elisabeth Endres, Bernhard Vogel, Kurt Panzenberger, Werner Maier, Gerd Scheuerer, Eckhard Zylla oder Jo Bukovski und Peter Tomschiczek: Zeichnen, Öl, Acryl, Aquarell, Mal- und Studienreisen, und in späteren Jahren die Hinwendung zu den klassischen grafischen Drucktechniken wie Radierung und Holzschnitt. Die große Sammlung an Skizzenbüchern, akribische Notizen zu gestalterischen und aesthetischen Fragen, Drucktechniken oder kunstphilosophischen Themen sind Zeugnis dieses Bewusstseins, lebenslang eine Lernende zu sein. 

Hildegard Schaabs künstlerischer Weg ist vor allem auch ein Zeugnis über die heilende Kraft der Kunst. Was als Seelenrettung und Trauerarbeit begonnen hatte, wurde bald zu einer künstlerischen Existenz.

Hildegard Schaab ist am 1. März 2018 nach langer Krankheit verstorben. Ihre Kunst bleibt. Sehen Sie eine Werkauswahl hier.